Männerwitze

Seit der Mensch bewusst lachen und seine Freude an kurzen, außergewöhnlichen Geschichten mit skurrilen oder überspitzten Pointen artikulieren kann, gibt es Witze. Sie gehen zumeist zu Lasten Dritter und greifen Besonderheiten von Volksgruppen, Minderheiten oder Einzelpersonen auf: Dazu gehören beispielsweise Polenwitze, Ostfriesenwitze, Mantafahrerwitze, Beamtenwitze, Blondinenwitze oder Helmut-Kohl-Witze; die Liste ließe sich beliebig verlängern. Die Lachenden bleiben in jedem Fall außen vor, stehen von vorneherein auf der Siegerseite. Wer den Schaden hat, braucht für den Spott nicht zu sorgen, heißt es im Volksmund, aber das trifft nicht zu. Ein guter Witz ätzt und zersetzt nicht wie der Herrenwitz oder die Zote, sondern spiegelt Realitäten ebenso wie Regelwidrigkeiten wider, die über das Lachen erfasst und als veränderbar erkannt werden und so als sozial- und gesellschaftspolitisches Ventil für Frust, Intoleranz oder politische Ungerechtigkeiten dienen können. Auch die so genannten Männerwitze ordnen sich in dieses allgemeine Schema ein. Es handelt sich bei dieser Variante um Witze, die die besonderen Eigenschaften und Eigenheiten einer „Randgruppe“ (Männer) aufs Korn nehmen. Angeblich typisch männliches Rollenverhalten und Selbstverständnis wird kurz skizziert oder überspitzt dargestellt und durch die Pointe – in der Regel werden Klischees und Vorurteile bestätigend aufgegriffen – ad absurdum geführt und damit einem (befreienden) Lachen preisgegeben. Veränderungen im Gegen- und Miteinander der Geschlechter erscheinen möglich.


Männerwitze
Männerfeindliche Schwule

Entstehung der Männerwitze

Diese Perspektive der Männerwitze weist auf deren Entstehung zu Beginn der 1970-er Jahre hin, nachdem im Gefolge der Studentenbewegung, der so genannten 68-er Revolution, die radikale Frauenbewegung der Feministinnen die tradierte Rollenverteilung zwischen Männern und Frauen in Frage stellte und die absolute Gleichstellung der Geschlechter einforderte. Trotz entsprechender EU-Verordnungen zur Durchsetzung des aus der Frauenbewegung hervorgegangenen allgemeinen Gleichbehandlungsprinzips (Gendergerechtigkeit), besteht die „gefühlte Ungleichheit“ in den Denkweisen und Verhaltensmustern von Männern und Frauen weiter fort und gibt damit auch dem „Männerwitz“ immer wieder neue Nahrung: Die aufgegriffenen Themen scheinen nach wie vor privat beziehungsweise „gattungsspezifisch“ zu sein, weisen aber durchaus auf übergreifende gesellschaftspolitische Probleme hin. Die aktuell kursierenden Männerwitze haben an sezierender Schärfe zugenommen, zum Teil stehen sie den zotigen Herrenwitzen nach dem Motto „geht eine Frau/ein Mann zum Arzt“ kaum noch nach.

Männerwitze sind keineswegs nur Frauensache, sondern werden sowohl von Männern als auch von Frauen erzählt, formuliert und belacht. Im Gegensatz zu den Frauen machen sich die Männer dabei als Individuen über die karikierte Gattung „Männer“ lustig. Durch diese distanzierte Sichtweise können sie Souveränität demonstrieren und die angeprangerten Missstände wohlwollend anerkennen ohne sie tatsächlich korrigieren zu wollen. Und das gelingt umso leichter, weil die Zuhörer der Männerwitze sich nicht selbst in den Pointen wiedererkennen können oder wollen, sondern Freunde, Bekannte, Nachbarn oder Kollegen an den Pranger gestellt sehen, denen es recht geschieht, dass über sie beziehungsweise über ihr Verhalten gelacht wird. Gäbe es diese subjektiv relativierenden Effekte nicht, wären Männer als Zuschauer vieler Comedy-Shows in der Minderheit, denn Atze Schröder oder Mario Barth jonglieren ebenso mit Männerwitzen wie Cindy aus Marzahn oder Anke Engelke, die als Frauen eigentlich dafür prädestinierter zu sein scheinen als ihre männlichen Kollegen.

Wurden Witze im allgemeinen zunächst im Freundes- oder Bekanntenkreis in geselligen Runden zu Hause oder am Stammtisch in der Kneipe erzählt und mündlich weitergegeben, so finden sie heute - vorausgesetzt, sie sind gut – über die modernen Medien schnelle und (welt-)weite Verbreitung. Dem Männerwitz standen die Instrumente der modernen Kommunikationsgesellschaft von vorneherein zur Verfügung, so dass es in der Bundesrepublik Deutschland beziehungsweise im deutschsprachigen Raum heute kaum jemanden gibt, der keinen Männerwitz erzählen könnte; noch weniger wird sich jemand finden lassen, der von der Existenz dieser Witzgattung noch nie gehört hat. Der hohe Bekanntheitsgrad dieser Witzgattung bei Männern und Frauen sowie die schnelle und nachhaltige Verbreitung neuer Männerwitze über Chatrooms oder Communities, rührt nicht zuletzt daher, dass im allgemeinen die Pointen von Männerwitzen verstanden werden und der beabsichtigte (Lach-)Effekt eintritt, ohne dass bei den Zuhörern oder Rezipienten dafür Insiderwissen, zum Beispiel über bestimmte Personen oder Berufe, vorhanden sein muss.

Verbreitung der Männerwitze

Zur schnellen Verbreitung der Gattung hat insbesondere die zum Sketch verdichtete Spielart der Männerwitze in diversen TV-Unterhaltungsprogrammen beigetragen. Pionierarbeit leistete in diesem Genre der Regisseur Michael Pfleghar mit seiner Slapstick-Show „Klimbim“, die von 1973 bis 1979 von der ARD als erste Comedy-Serie ausgestrahlt wurde, und Männerwitze in kurzen Szenen visualisierte. Noch heute greifen Komiker wie Kabarettisten in ihren Bühnen- und Showprogrammen neben den erzählten Männerwitzen der Bühnenprogramme für ihre TV-Shows auf die Variante des gespielten Männerwitzes in Sketchform zurück. Auf Grund ihres einfachen dramatischen Aufbaus sind Männerwitze dafür besonders gut geeignet, denn sie lassen sich ohne großen Aufwand an Requisiten oder Kulissen in Szene zu setzen. Einer der Meister des vorgetragenen Männerwitzes ist Harald Schmidt, dessen neue Pointen von begeisterten Fans in Windeseile über das Internet verbreitet werden.

Die meisten Männerwitze sind kurz. Sie bestehen aus zwei Sätzen und kommen mit wenigen Versatzstücken aus, weil für die Pointe lediglich ein Bezugsrahmen benötigt wird, den die Rezipienten auf Grund der eigenen Vorstellungs- und Erlebniswelt gedanklich problemlos ausfüllen können. Gängig sind Frage und Antwort (Pointe), Kurzdialoge zwischen Mann und Frau, wobei zumeist die Frau als Pointengeberin fungiert, Dialoge zwischen Frauen sowie Dialoge zwischen Männern. Darüber hinaus gibt es auch zahlreiche Männerwitze in Geschichtenform, in denen die Pointe gleichsam hinausgezögert wird und deshalb umso überraschender wirkt. Die Kürze der meisten Männerwitze hat übrigens nicht zuletzt auch mit der Verbreitung über SMS oder Chatrooms zu tun. Dass Männerwitze nur deshalb so kurz sind, damit auch Männer sie sich merken können, ist wohl eher ein Vorurteil – oder ein Männerfeindlicher Witz

Zahlreiche Sammlungen mit Männerwitzen gibt es im Internet, aber auch in Buchform; die Auswahl ist schier unerschöpflich. Sie belegt einmal mehr die große Beliebtheit des Männerwitzes in der Bevölkerung, unabhängig von Alter, Geschlecht oder Bildungsstand.

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