Schwulenwitze

Warm, wärmer, warmer Bruder - Schwulenwitze! Der Schwulenwitz ist ein klassischer Vertreter des Randgruppenwitzes. Er geht auf Kosten einer Bevölkerungsgruppe, die ohnehin schon zu kämpfen hat, und die zudem eigentlich so gemischt ist, dass es sich schlecht witzeln ließe. Ist der Schwulenwitz also immer schlecht? Machen ausschließlich böse Menschen Witze über Schwule? Die Antwort lautet eindeutig: nein. Tatsächlich ist der Witz hier häufig ein Versuch, etwas Fremdartiges handhabbar zu machen. Wir leben in einer Gesellschaft, in der Heterosexualität die Norm ist und alles, was davon abweicht, als Bedrohung wahrgenommen wird. Dadurch entstehen - im buchstäblichen und im sprichwörtlichen Sinne - Berührungsängste mit Homosexuellen und dem gesamten Themenkomplex. Auch dort, wo nicht offen diskriminiert wird, herrschen häufig Vorurteile durch Unwissen.


Schwulen Witze

Zwei Arten der Schwulen Witze!

Allgemein kann man den Schwulenwitz in zwei Kategorien einteilen: den tatsächlich bösartigen, der auf Ausgrenzung und Verächtlichmachung zielt; und den intelligenten, scharfsinnigen und reflektierten Witz über Schwule. Die Ursachen für die Beliebtheit dieser beiden Formen sind grundlegend verschieden.

Der smarte Schwulenwitz nimmt die Besonderheiten homosexueller Männer aufs Korn, ohne sie allein auf ihre Sexualität zu reduzieren. Er ist oft hintergründig - ohne sagen zu wollen, dass er "hintenrum kommt" - und raffinierter als der Standardscherz. Ihm liegen eine scharfe Beobachtungsgabe und ein tolerantes Weltbild zugrunde. Im englischen Sprachraum würde man sagen, diese Kategorie des Schwulenwitzes sei "more sophisticated". Im deutschen Sprachraum kann man immerhin sagen, dass er hierzulande kaum existent ist.

Es überwiegt generell der diskriminierende Schwulenwitz. Diese Form des sexistischen Humors ist häufig nur mit einem Skalpell von der plumpen Beleidigung zu trennen. Bildhafte Redensarten vom "Schokostich" oder "Hinterlader" mögen noch angehen, meist bezieht diese Art des Schwulenwitzes ihr gesamtes humoristisches Potenzial allerdings schon aus dem schlichten Tabubruch. Das Thema Homosexualität ist so viel Grenzüberschreitung genug, dass auf eine gute Pointe gerne einmal verzichtet wird.

Dem Schwulen Witz liegen zuerst einmal dieselben Funktionsweisen zugrunde wie anderen Witzen über Sexualität auch: Die Lust am Tabubruch. In einer Gesellschaft, in der Sex zwar von jedem Werbeplakat prangt, aber schon ein leidenschaftlicher Kuss auf offener Straße für Empörung sorgt, ist das zweifellos ein heikles Thema. Insofern hat der Witz über schwule Sexualität in den Grundzügen die gleiche Motivation, er will unterdrückte Triebe herauslassen und die Scheinheiligkeiten gegen etwas Echtes tauschen - ein per se erfreulicher Ansatz.

Dann gibt es Schwulen Witze, die zwar derb sind, aber nicht entmenschend. Ein solcher Witz kann das Eis brechen und eben das Fremdartige näher rücken lassen; gerade so nahe, dass man es mehr verstehen kann. Solche Witze werden häufig auch von Schwulen selbst erzählt. Es ist eine Form des Humors, die Stärke verleiht, die Spannungen und Vorurteile abbaut und allgemein so eine gute Richtung verfolgt.

Die nächste Steigerung des Witzes über Schwule ist dann allerdings zumeist weniger appetitlich und richtet sich auf die verbale Zerstörung der Zielscheibe. Humor ist eben nicht immer freundlich und nett und lobenswert. Er kann auch eine Waffe sein - und im Falle des bösartigen Schwulenwitzes häufig eher eine dumpfe Keule als ein strahlendes Schwert. Untersuchungen haben übrigens ergeben, dass besonders jene Männer zur Diskriminierung von Schwulen neigen, die sich durch entsprechendes Bildmaterial sexuell erregt fühlen; ein Fakt, den viele schon geahnt hatten, bevor er wissenschaftlich erwiesen wurde. Es ist davon auszugehen, dass die bösartigen und dummen Witze über Schwule hauptsächlich von solchen Männern gemacht werden, um sich als besonders heterosexuell zu fühlen. Glücklicherweise gibt es auch eine lange Reihe richtig guter Schwulenwitze.

Hemmungen abbauen

Der gelungene Schwulenwitz ist ein wunderbares Mittel, um Hemmungen abzubauen und um Homosexualität letztlich als einen Bestandteil des gesellschaftlichen Alltags zu integrieren. Dass dies nicht nur über Quotenregelungen und Anti-Diskriminierungs-Paragraphen zu erreichen ist, versteht sich schließlich von selbst. Humor ist eine hervorragende Methode, um ein Thema ins öffentliche Bewusstsein zu rücken und eben Berührungsängste abzubauen.

Nicht nur Heterosexuelle lachen gern über Schwule - sondern auch Schwule selbst. Tatsächlich wird man die derbsten Witze zu dem Thema nicht selten unter Homosexuellen hören. Für denjenigen, der von dem Randgruppenwitz betroffen ist, macht der Humor die Sache verständlich, man erfährt etwas darüber, wie einen die Außenwelt wahrnimmt, und nicht zuletzt erkennt man sich oft genug auch selbst wieder. Schwulenwitze sind also längst keine Heterodomäne, wenngleich natürlich nicht jeder Homosexuelle die Größe hat, über einen guten Schwulenwitz zu lachen.

Die Bandbreite der Schwulenwitze rangiert also von harmlos bis vernichtend. Dazwischen existiert alles und ist alles erlaubt, auch wenn es manchmal nicht zum guten Ton gehören mag. Ein gelungener Witz kann in den verschiedensten Absichten ausgedacht und erzählt werden. Eine davon ist es, Randgruppen zu diskriminieren oder sich von einer Bevölkerungsgruppe abzugrenzen. Eine andere Motivation ist es aber eben auch, eine Sache verständlich zu machen, die einem fremd ist und die einen beschäftigt. So unterschiedlich die Menschen, ihr Taktgefühl, ihr Humorverständnis und ihre sexuelle Orientierung, so vielfältig sind eben auch die Schwulenwitze.

In unserer Gesellschaft wird Homosexualität langsam immer mehr akzeptiert. Noch bis 1994 standen homosexuelle Handlungen in Deutschland per Gesetz unter Strafe. Inzwischen kann der Bürgermeister der deutschen Hauptstadt Berlin sich hinstellen und stolz sagen: "Ich bin schwul - und das ist auch gut so."

So wie sich die Wahrnehmung von Homosexualität verändert, so verändern sich nach und nach auch die Schwulenwitze. Mit dem Wort "Hinterlader" bringt man heutzutage bestenfalls noch die letzte Reihe in einer Grundschulklasse zum Lachen. Der Moderator des Quatsch Comedy-Clubs, Thomas Herrmanns, bekennt sich pointiert zu seinem Schwulsein und nimmt damit nicht nur den Homophoben den Wind aus den Segeln, sondern zeigt auch, dass schwuler Humor auf viele Weisen funktioniert.

Es ist also zu vermuten, dass die hässlichen Schwulen Witze mehr und mehr von der Bühne verschwinden werden und Platz machen für eine neue, intelligente und lustige Garde - die schon dahinter wartet!

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