Dumme Witze

Wie alles, was mit Dummheit zu tun hat, ist auch die Kategorie "Dumme Witze" von äußerster Vielfalt. „Dumm“ ist bekanntlich nicht gleich „dumm“: das Wort beschreibt mangelnde Intelligenz genau so wie Zusammenhänge, die auch unter „unglücklich“ (dumm gelaufen), „unhöflich“ (dumme Bemerkung) oder „überrascht“ (dumm dreinschauen) gefasst werden könnten. Natürlich liegt jedem Zusammenhang von „dumm“ ein Fehler in der Wahrnehmung zugrunde und in für eine Person ist das Wort immer noch eine Beleidigung, aber der universelle Gebrauch des Wortes verwischt die Grenzen. Die früher verwendeten Worte wie „töricht“ oder „närrisch“ verifizierten den Sprachgebrauch noch erheblich, sind aber leider aus der Mode gekommen. „Dumme Witze“ sind deshalb in vielerlei Hinsicht möglich.


Dumme Witze

Dumme Witze unterfordern den Zuhörer

Tatsächlich werden Witze, die ihre Pointe aus einer platten Gegenüberstellung beziehen, als dumm empfunden. Wenn das Eine nicht geht, weil nur das Andere sein kann, kommt für den Zuhörer auch keine Verblüffung zustande – und die ist die Grundlage für einen intelligenten Witz. Bestes Beispiel für die niedere Art des Humors sind die so genannten Idiotenwitze. Sie basieren darauf, dass eine Witzfigur eine sinnlose Ausgangsaussage schafft, die von der zweiten Witzfigur in ihrer Sinnlosigkeit nicht erkannt und mit einer logischen Fortleitung zu einer noch sinnloseren Aussage (wenn es das überhaupt gibt) geführt wird. Beide Aussagen sind für den Zuhörer sofort als Unsinn zu erkennen und der Gag besteht einzig und allein in ihrer Kombination. Während Erwachsene jedem Conferencier, der auf diesem Niveau antritt, schnell den Rücken kehren, haben diese Witze für Kinder eine große Faszination. Das ist auch nicht weiter schlimm, denn sie beginnen ja erst damit, sich die vielgestaltige Welt des Humors zu erschließen. Ernsthaft bedenklich ist dagegen die Beliebtheit von TV Comedy Serien mit standardisierten Dialogen, deren Witzigkeit mit eingespielten Lachkaskaden demonstriert werden muss.

Witze zu Lasten von Gruppen sind nicht immer dumme Witze

Eine der interessantesten Erscheinungen in der gesellschaftlichen Kommunikation sind die zeitweiligen Modewitze, die zu Lasten einer bestimmten Gruppe gehen. Im Gegensatz zu traditionellen Witzen, die sich als Langzeiterscheinung zur Mentalität einer Volksgruppe (Witze über den schwäbischen Geiz oder die Berner Langsamkeit) herausbilden, sind diese kurzen Trends eher verunglimpfender Natur. In den 70er Jahren lachte Deutschland über Ostfriesenwitze, die letztendlich nichts anderes waren als neu aufgemachte Idiotenwitze – vielleicht ein Ergebnis der neuen urbanen Kultur, die sich gegen das Landleben abgrenzen wollte. Erkennbar waren auch Versuche der Instrumentalisierung von Ossi- bzw. Wessi-Witzen im Prozess der deutschen Einheit. Allerdings gibt es auch Witze, die das niedere Niveau zum Prinzip machen und mit Symbolfiguren kombinieren, um damit gesellschaftliche Befindlichkeiten zu treffen. Das gilt für die Polizistenwitze der zerbröselnden DDR genau so wie für die Blondinenwitze von heute, deren Protagonistinnen für den überzogenen Lifestyle auf der Grundlage von Nichts, eine typische gesellschaftliche Erscheinung unserer Tage, herhalten müssen. Das geistige Format mag zwar dumm sein, aber es passt sich eben zweckbestimmt an.

Chauvi-Witze sind das Letzte

Über Witze, die eine chauvinistische Haltung auf angeblich humorvolle Weise vermitteln wollen, kann eigentlich kein Mensch lachen. Die Herabwürdigung eines Menschen kann genau so wenig komisch sein wie Kabarett von rechts. Die Hauptsparte chauvinistischer Witze betrifft natürlich das Verhältnis zwischen Männern und Frauen. Der Überlegenheitsanspruch, der hier auf „typisch“ männliche Weise formuliert wird, kann eigentlich nur als letzter verzweifelter Versuch einer Spezies von Männern gewertet werden, die der modernen Entwicklung nichts als ihre Dummheit entgegen zu setzen hat.

Witze im falschen Augenblick

Selbst ein guter Witz kann ganz schnell zum dummen Witz werden, wenn er in der falschen Situation angebracht wird. Das beste Beispiel sind zwei Menschen, die ein Problem unterschiedlich werten. Der eine will die Situation vielleicht sogar nur mit einer witzigen Bemerkung entspannen und erreicht genau das Gegenteil. Denn der andere empfindet diese Äußerung als Angriff auf seine Position, und das nicht einmal mit qualifizierten Argumenten, sondern mit einer höhnischen Beiläufigkeit – als dummen Witz eben. In diesen Augenblicken können selbst langjährige Freundschaften einen Riss für das weitere Leben erhalten oder Ehen zügig auf die Scheidung zusteuern. Schutz vor solchen Fehltritten bietet nur ein gegenseitiges Verständnis, dass die Partner oder Freunde vor fatalen Fehleinschätzungen bewahrt. Weniger dramatisch, dafür umso peinlicher, sind Witze in Gesellschaft, die der Erzähler in Unkenntnis individueller Befindlichkeit zum Besten gibt. Wenn außer ihm alle im Raum wissen, dass die Frau des Hauses eine Schönheits-OP hinter sich hat, wird er vergeblich auf den Lacher bezüglich des gelifteten Bauchnabels am Kinn warten. Betretenes Schweigen und der Hinweis, dass dies ein „ganz dummer Witz“ war, sind noch die charmantesten Reaktionen, die er dafür ernten kann. Wirklich dumm ist dann aber derjenige Witzeerzähler, der mit hektischen Erklärungen noch die Pointe zu retten versucht, dabei aber vollständig im Fettnäpfchen versinkt. Genugtuung erfährt nur derjenige, der sofort das Thema wechselt und später am Abend noch heimlichen Beifall von diesem oder jenem der Gäste erhält.

Witze müssen gut erzählt werden

Die Einschätzung, ob ein Witz dumm oder ein echter Lacher ist, hängt auch sehr von der Erzählweise ab. Es gibt selbst ernannte Unterhalter, die einfach keine Witze erzählen können, weil sie die Pointe nicht zielgerichtet entwickeln. Trotzdem sind diese Entertainer nicht davon abzubringen, mit langen Ausführungen, Aufblähen von Nebenaspekten und sprunghafter Erzählung jedem Witz die Komik zu nehmen und ihn zu einem „dummen“ Witz zu degradieren. Im Gegenzug können selbst Witze mit dünner Substanz durch eine gediegene Rhetorik noch durchschlagenden Erfolg ernten.

Witze benötigen eine gemeinsame Verständnisebene

Wer schon einmal als Nichtfachmann einen Abend mit Medizinern verbracht hat, läuft Gefahr, sich auf dem Heimweg besorgte Gedanken um das Niveau der „Götter in Weiss“ mache zu müssen. Denn weder hat er die mit Fachbegriffen gespickten Pointen verstanden, noch konnte er sich an der rustikalen Art, mit menschlichen Gebrechen umzugehen, erheitern. Die Witze des Abends empfand er als dumm, während sich die Gesellschaft um ihn herum köstlich amüsierte. Wenn die gemeinsame Kommunikationsebene fehlt, können Witze nicht wirken. Es müssen nicht einmal Bildungsunterschiede sein – oft reicht ein unterschiedliches Verständnis von Humor aus, das gute Pointen nicht zünden. Die Komik von Helge Schneider stuft tatsächlich ein hoher Prozentsatz gebildeter Menschen als „dumm“ ein und Harald Schmidt hasst man oder liebt ihn. Dumm ist vor allen Dingen zweiseitig.

Sprüche - Das Buch
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