Schwarzer Humor

Makaber geht es zu, wenn es sich um Schwarzen Humor dreht. Ernste Themen, die sich um das Sterben, den Tod, schwere Erkrankungen, Verbrechen mit Todesfolge oder Unfälle drehen, werden auf's Korn genommen und auf eine Weise erzählt, die trotz aller Gruseleffekte zum Lachen anregen soll. Das bleibt einem jedoch im Halse stecken, wenn man schwache Nerven hat.


Schwarzer Humor

Gesellschaftliche Tabubereiche werden betreten

Ob der Schwarze Humor absichtsvoll verharmlosen möchte oder eine satirische Verarbeitung gegenüber angstbesetzen Themenbereichen darstellt, ist schwer zu sagen. Schwarzer Humor betritt ohne Zögern gesellschaftliche Tabubereiche und eckt dabei wissentlich an. Wie sehr, ist eine Frage, die von der Art der Zuhörer und dem Kontext des Erzählens abhängt. Im Operationssaal Witze über während einer Operation gestorbene Patienten zu erzählen, dürfte als ärztliche Respekt- und Geschmacklosigkeit durchgehen, nicht als Anflug von Humor. Im Privatleben erzählen sich Ärzte jedoch gerne solche Witze - vielleicht um die täglichen Dramen ihres Berufes auf eine leichtere Schulter nehmen zu können. Das Gros der Witze-Erzähler, die Arztwitze mit schwarzhumorigem Inhalt delektierlich finden, stammen jedoch nicht aus dem ärztlichen Bereich. Bei ihnen ist es vielleicht eine morbide Lust daran, den "Göttern in Weiß" ein wenig von ihrem Glanz und der Macht zu nehmen, die sie über uns haben. Im Übrigen ist an jeder Art von Humor ein wahres Körnchen, auch am schwarzen Humor. Wäre er nicht im Kern wahr oder wahrheitsträchtig, würde man nicht lachen müssen, sondern den Witz als abwegig und absurd abtun. Doch weil die Möglichkeit besteht, dass er in der erzählten Form wahr werden könnte, laufen einem Schauer des Grauens den Rücken herunter. Dass man trotzdem lacht, mag als Explosion der Erleichterung gelten, mit der man feststellt: Es ist nur ein Witz, es ist schwarzer Humor.

Mit dem Entsetzen spielen

Die häufig gestellte Kardinalfrage in Bezug auf den Schwarzen Humor ist: Wo beginnen die Grenzen guten Geschmacks und wo enden sie? Darf man sich über alles lustig machen oder sollte man in Witzform nicht an bestimmte Tabus rühren? Darf man beispielsweise über Inzest, Vergewaltigungen, Krebserkrankungen, häusliche Gewalt oder Kinderpornografie witzeln? Jeder hat diesbezüglich andere Schmerzgrenzen. Für die Anhänger Schwarzen Humors kann es meistens nicht makaber genug sein. Für andere sind morbide Witze oder Sprüche einfach nur geschmacklos. Dies gilt vor allem, wenn auch noch die eigene Religion oder Sexualität berührt wird. Schwarzer Humor schert sich aber nicht um Empfindlichkeiten, Geschmacksfragen und Tabus. Er berührt sie absichtsvoll. Die Grenzüberschreitung und emotionelle Konfrontation ist gewollt. Schon Siegmund Freud hat erkannt, dass man über den Witz oder einen morbiden Spruch auch eine Situation von Stress entlasten kann. Demnach wäre Schwarzer Humor als Ventil unerlässlich, um sich mit gesellschaftlichen Tabubereichen zu befassen und seine ambivalenten Gefühle zum Thema zu ventilieren. Die Tatsache, dass es auch im Film schwarze Komödien gibt, die große Publikumserfolge sind, spricht Bände. Die Lust am Makabren ist uns gegeben - ob die Art ihres Auslebens uns immer gefällt, ist etwas anderes. Angeblich beweist man Humor, wenn man trotzdem lacht. In vielen Fällen hätte man aber lieber nicht gelacht, tat es jedoch aus dem Gruppenzwang und wegen zu späten Begreifens des eigentlich tabuisierten Kontextes trotzdem. Vielleicht aber rückt dieser Umstand anschließend ein spannendes Gesprächsthema in die Mitte des Blickfeldes, das man bisher aus Gründen der Scham gemieden hat.

Angrenzung zum "Sick Humor" und zum Galgenhumor

Interessant ist, dass unser Schwarzer Humor im Englischen und Amerikanischen zum Teil "Sick Humor" genannt wird und bereits durch diese Wortwahl andeutet, dass es kein gesunder Humor ist. Beim "Sick Humor" wird einem aber tatsächlich schlecht oder es geht um Krankheit. Beim Schwarzen Humor wird eine beabsichtigte Schockwirkung durch die Pointe aufgelöst. Zudem arbeitet der Schwarze Humor gerne mit unseren Phantasien. Manches wird im Witz oder Spruch nur angedeutet, ist doppeldeutig oder scheint eindeutig zu sein. In Wahrheit sind es unsere Phantasien, die durch den Erzählverlauf in eine bestimmte und abgründige Richtung gelenkt werden sollen. In der Nähe des Schwarzen Humors liegt auch der so genannte Galgenhumor, den man dann wendet, wenn man sich einer gefährlichen Situation gegenübersieht, die man gerne entschärfen würde. Letzte Witzeleien oder Sprüche angesichts des bereits errichteten Galgens oder gegenüber dem, der einem gleich den Kopf abschlagen wird, sind dazu zu zählen. Zum Schwarzen Humor gehören also

  • morbide oder tabuisierte Inhalte
  • Umfelder und Spielorte, die die Phantasien verstärken
  • Kontexte, die Tabus berühren
  • Schlüsselbegriffe, die Assoziationen wecken
  • eindeutig mit negativen Phantasien besetzte Personen (der Totengräber, der Leichenbeschauer, der Henker) als Klischee
  • eine überraschende Pointe

Einmal aus vollem Herzen bösartig sein dürfen

Das gesellschaftliche Leben zwingt uns in viele Konventionen und Regeln. Da erscheint es manchem probat, diese Grenzen ein wenig durch das Faible für Schwarzen Humor oder Sarkasmus zu dehnen. Schwarzer Humor kennzeichnet auch eine gewisse Überlegenheit, die für den Witz im Algemeinen typisch ist. In diesem Fall betrifft die innere Überlegenheit alle Themen, bei denen andere vorsichtig werden, Ängste entwickeln oder das Thema wechseln möchten. Wie sehr Schwarzer Humor ein Ventil für zu enge Verhaltensmaßregeln sein kann, beweist die britische Königin Elisabeth die Zweite. Im privaten Rahmen liebt sie die Geschenke ihrer jungen Enkelsöhne, die anrüchig und morbide sind. Jenseits aller Konventionen und Hofprotokolle über ein Pupskissen oder ein singendes Gummiskelett lachen zu dürfen, hat etwas erfrischend Befreiendes. Die Briten lieben überhaupt Skurriles und erweisen dem Schwarzen Humor alljährlich durch das "Dinner for One" Reverenz. Auf die Frage, was ein Kannibale aus einem Mediziner macht, ist die nahe liegende Antwort: einen Hot Doc. Wortspielereien, Klischeebildung, Umdeutungen, Übertreibungen, Falschzuschreibungen oder Verzerrungen gehören zum Schwarzen Humor ebenso wie zu allen anderen Witzkategorien. Woher die ersten Ansätze des Schwarzen Humors kamen, lässt sich heute nicht mehr ermitteln. Wenn allerdings ätzende Türkenwitze oder herabsetzende Sprüche über andere Ethnien als schwarzer Humor ausgegeben werden, muss man sich fragen, wo die Grenze zum Rassismus ist.

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