Chef Witze

Der Chef ist im wahren Leben eine Respektsperson, die immer unberechenbar sein kann. Die Untergebenen verhalten sich entsprechend und buhlen um seine Gunst. Seine Machtdemonstrationen, seine Inkompetenz und seine angeblichen Verführerqualitäten sind legendär - zumindest im Witz. Da geht es um Chefs, die jeder blonden Sekretärin nachstellen müssen oder um vollkommen ahnungslose Vorgesetzte, die mehr zur Staffage dienen als zum Repräsentieren tatsächlicher Führungsqualitäten.


Chef Witze

Aus der Chefetage geplaudert

Wahres und Unwahres, aber Phantasiertes fließen in den Chefwitzen zusammen. Der Chef verkommt hier zu einem Klischee, dem er aber - und das genau ist witzig - in Teilen entspricht. Oft lautet die Erfahrung im Alltag, dass der Chef seine Angestellten nicht mit Nachnamen kennt, geschweige denn sagen könnte, was ihr Arbeitsfeld ausmacht. Er kann die einfachsten Dinge nicht, weil er sich tagtäglich mit abgehobenen Themen, Marketingmaßnahmen und geplanten Fusionen befasst. Die Kollision von Machtposition und tatsächlicher Kompetenz im Alltag bietet viel Fläche, einem Chef im Witz an den Karren zu fahren. Im Grunde sind die eigenen Unterlegenheitsgefühle das Kanonenfutter für die Chefwitze. Ob der Witz sich um eine Arbeitssituation dreht oder ob der Klempner gerade die Ehefrau des Chefs vernascht, weil der seine Arbeit immer in den Vordergrund stellt, ist verschieden. Da viele Chefs im wahren Leben mit ihrer Firma verheiratet sind, heiraten sie vielleicht tatsächlich eine Sachbearbeiterin, Assistentin oder Chefsekretärin. Das bietet auch den Vorteil, dass man seine Frau öfter sieht als normal. Sie kann zudem als Vermittlerin in Krisen oder als Spionin auf der Mitarbeiterebene eingesetzt werden. Die Hierarchien im Chefwitz sind ähnlich wie beim Arzt und den Krankenschwestern, nur das Berufsfeld als Spielort ist ein anderes. Welche echten oder vermeintlichen Eigenschaften der "Oberen" auf's Korn genommen werden, kann unterschiedlich sein.

Aus welchen Elementen bestehen Chefwitze?

Oftmals sind bei männlichen Vorgesetzten
  • seine Männlichkeit und Potenz
  • sein vermeintliches Können oder seine Unwissenheit
  • seine Stellung in der Hierarchie
  • seine Kompromisslosigkeit und Härte
  • aber auch seine Verletzlichkeit und Einsamkeit an der Spitze der Hierarchie
  • sein vermutetes Leben
  • sein Besitz und Status

die Elemente, die den Witz befeuern und witzig machen. Zumindest die Untergebenen können darüber lachen. Die Chefs sind im Witz nichts als lächerliche Witzfiguren, denen man leicht das Wasser reichen könnte: Wenn man denn gelassen würde. Jeder meint, ein besserer Chef sein zu können. Schwarz-Weiß-Malerei wird im Chefwitz gerne betrieben: Entweder wird der Chef angehimmelt oder gehasst. Daraus wird der Witz konstruiert und dient immer der Erhöhung derer, sie sich neben ihrem Chef klein vorkommen. Bei weiblichen Vorgesetzten fallen die aufgezählten Kriterien ähnlich aus, nur hier ist die Klischeebildung deutlich stärker von der Haarfarbe, dem Alter, der Figur, Frisur, Bekleidung oder dem Gewicht der Chefin beeinflusst. Ist die Chefin eine Blondine, kann der Witz auch ein Blondinenwitz sein. Überschneidungen mit anderen Witzkategorien sind kaum zu vermeiden.

Allmacht und Machtlosigkeit

Witze entwickeln sich in einem emotionellen Spannungsfeld, in dem es leicht zu inneren oder äußeren Konflikten kommt. Auch überzogene Erwartungen auf der Chefseite werden gerne auf's Korn der Witzemacher genommen. Beispielsweise erwarten scheinbar viele Chefs, dass man ihnen interessiert zuhört oder über ihre Witze herzlich lacht. Kontexte und Umfelder wie diese bieten hinreichend Fläche, sich über den Vorgesetzten lustig zu machen. Zum Chefwitz gehört im Nahbereich auch der Sekretärinnenwitz oder der Bürowitz. Der erzählerische Schwerpunkt dieser drei liegt unterschiedlich, der Spielort ist aber derselbe. Wenn also ein Chef seinen Sekretärinnen einen Witz erzählt und alle bis auf eine lachen, weiß man nicht, ob es ein Chefwitz oder ein Sekretärinnenwitz wird. Wenn die Pointe bei der Sekretärin liegt, die als einzige nicht lachen musste, weil sie schon gekündigt hatte, hat der niedere Angestellte den Sieg davon getragen. Es handelt sich um einen Sekretärinnenwitz - oder etwa nicht? Zuweilen sind die Übergänge und möglichen Zuordnungen fließend. Büroklatsch über das Verhalten anderer oder Geschehnisse auf Betriebsausflügen und Firmenpartys sind weitere Themenfelder, die man nicht immer sauber in Chefwitz oder Firmenwitz trennen kann. Direkt muss ein Chef ohnehin nicht im Chefwitz auftauchen. Seine pure Präsenz in der Firma reicht aus, um die Hierarchien klar zu machen und den Witz zu lancieren. Wenn eine neue Arbeitsstelle anderen gegenüber als paradiesisch beschrieben wird, dann kann die Pointe sein, dass man diesen Vergleich nur nutzt, weil man jeden Tag vom Firmengott daraus vertrieben werden kann. Damit sind die Allmacht und Willkür der Chefs hinreichend beschrieben. Je niedriger man in der Hierarchie steht, desto mehr Witze werden entwickelt. Chefs und Lehrlinge sind eine ebenso bewährte Witzkombination wie Chefs und blondierte Chefsekretärinnen. Auch der Pförtner, die Chefgattin oder der Chauffeur des Chefs können eine wichtige Rolle spielen. Die Mitarbeiter kommen aber auch nicht ungeschoren davon, denn in manchen Chefwitzen bekommen sie ihr Fett ab. Wenn beispielsweise ein Boss seine Sekretärin anweist, über eine Mitteilung den vermerk "Streng vertraulich" anzubringen, dann möchte er vielleicht gerade erreichen, dass sie von jedem gelesen wird. Hier wird die Unterlegenheitsposition der Mitarbeiter klar zu Gunsten des allmächtigen Vorgesetzten interpretiert, statt dass er am Ende als der Dumme August, Lustmolch oder Ahnungslose dasteht. Immer wieder dienen auch Fehlinterpretationen als Fläche, einen Witz zu entwickeln. Wenn in der Todesanzeige des eben verstorbenen Chefs steht, mit ihm sei einer der besten Mitarbeiter gegangen, kommen die Angestellten im Witz schnurstracks auf die Idee, es sei noch jemand anderes gestorben. Für gute Arbeit ist ein Chef selten bekannt. Im Grunde weiß man gar nicht, was er den ganzen Tag macht. Er scheint sich lediglich mit Büroflirts, endlosen Besprechungen, dem Golfen, gelegentlichen Vorstandssitzungen und Geschäftsessen zu befassen. Andere stehen derweil am Fließband und verdienen das Geld, das er mit vollen Händen ausgeben kann. Ein Quäntchen Neid schwingt immer mit, wenn ein Chefwitz lanciert wird. Man muss sich wohl "expressis verbis" versichern, dass der Job in der Chefetage nicht wirklich so toll ist, wie man insgeheim denkt.

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