Alle Kinderwitze

„Alle Kinderwitze“ sind inzwischen zu echten Klassikern geworden. Im deutschen Sprachraum kennt sie nahezu jeder, seit Generationen werden sie erzählt. Auch wenn man einige von ihnen schon oft gehört hat und sie typischer Weise kaum Tiefgang aufzuweisen scheinen, provozieren sie doch immer wieder zum Lachen. Meist führt das Erzählen des ersten „Alle Kinder Witzes“ dazu, dass anwesende Personen zur allgemeinen Erheiterung in rascher Folge weitere Witze dieser Gattung nacherzählen oder spontan hinzu dichten.


Alle Kinderwitze

Geschichte und Verbreitung der „Alle Kinderwitze“

Wann genau der erste „Alle Kinder Witz“ erzählt wurde, ist nicht gewiss. Jedoch ist durchaus davon auszugehen, dass der erste Witz dieser Gattung bereits vor etlichen Generationen erzählt wurde. In den 80er Jahren des letzten Jahrhunderts erlebten die „Alle Kinder Witze“ eine wahre Blütezeit. Dementsprechend werden auch heute noch einige von ihnen erzählt, in denen explizit Personen oder Gegenstände eine Rolle spielen, welche zur damaligen Zeit bekannt beziehungsweise modern gewesen sind. So werden beispielsweise Musikgruppen wie „Modern Talking“ erwähnt oder zeittypische Süßigkeiten wie ein damals beliebter Schokoriegel namens „Raider“. Auf den Pausenhöfen avancierten die Sprüche unter den Jugendlichen zu Dauerbrennern. In so mancher Schülerzeitung wurden in der Witze-Rubrik auch „Alle Kinder Witze“ veröffentlicht. Doch auch unter Erwachsenen waren und sind sie sehr beliebt. Vordergründig oft auch, um den eigenen Nachwuchs liebevoll damit zu foppen. Das Phänomen des „Alle Kinder Witzes“ bezieht sich jedoch allein auf den deutschen Sprachraum. Dass dies so ist, erklärt sich durch Aufbau und sprachliche Besonderheit dieser Witzgattung.

Aufbau und Reim

Ein „Alle Kinder Witz“ besteht grundsätzlich aus einem dreiteiligen, umgangssprachlich formulierten Satz, dessen letzte beiden Teile sich miteinander reimen (sollen).

Der erste Teil des Witzes beginnt stets mit den einleitenden Worten: „Alle Kinder“ und setzt innerhalb eines einfachen Folge von Prädikat und Objekt mit einer zumeist sehr kurzen Beschreibung dessen fort, was diese Kinder tun, taten, sind, waren, haben oder hatten. Dieser erste Teil des Satzes ist vom Reim ausgenommen. Beispiel: „Alle Kinder stehen im Wasser, …“

Im zweiten Teil wird festgelegt, um welches Kind beziehungsweise welchen Vornamen sich der Witz rankt. Stets beginnt dieser mit den Worten „nur nicht“ (oder „außer“). Es folgt der Vorname eines Kindes, dem innerhalb des Witzes die Hauptrolle zugedacht wird. Beispiel: „nur nicht Rainer, …“

Zuletzt folgt im dritten nun ein Reim auf den im zweiten Teil genannten Vornamen. Dieser stellt den Schlüssel des Witzes dar, der den Zuhörer zum Lachen reizt. Beispiel: „der war kleiner.“

Bei manchen der Witze lässt sich der Reim zwischen Vorname und Schlüsselteil nur erahnen. Dennoch wird meist ein Lachen beim Lesen oder Zuhören provoziert.

Die Natur der „Alle Kinder Witze“

Was alle Witze dieser Gattung inhaltlich gemeinsam haben ist, dass durch sie von einer Situation berichtet wird, in der ein einzelnes Kind von einer Gruppe von Kindern separiert wird. Oft ist es das einzelne Kind, auf dessen Kosten die Erheiterung erfolgt. Es gibt jedoch auch „Alle Kinderwitze“ in denen das einzelne Kind eine positiv besetzte Rolle spielt und in denen die Gruppe das Nachsehen hat. Eine dritte Variante dieser Witze schildert Situationen, in denen Gruppe und einzelnes Kind zwar separiert werden, wodurch aber keine Wertegefälle beziehungsweise ein Vor- oder Nachteil für die eine oder andere Seite entsteht. Witze der letzten Erzählvariante könnten daher zu einer Unterkategorie der sogenannten „Anti-Witze“ gezählt werden.

In den beiden am häufigsten verbreiteten Varianten der „Alle Kinder Witze“, in denen entweder das einzelne Kind oder die Gruppe von Kindern eine nachteilige Situation erfährt, wird der Reiz zu Lachen ausgelöst, indem scheinbar eine gewisse Schadenfreude beim Publikum provoziert wird. Teilweise wird sogar gelacht, obwohl der Reim impliziert, dass der Schaden des namentlich erwähnten Kindes oder der Gruppe den Tod des- oder derselben zur Folge hat. Die meisten Witze dieser Art müssen aufgrund ihres niedrigen inhaltlichen Niveaus geradezu als flach bezeichnet werden. Witzig wirken sie allein durch den Reim auf den Vornamen des Kindes, wodurch die Situation an sich ad absurdum geführt wird.

Der Reim als Träger einer schwarzhumorigen Pointe

Wäre nicht ein Reim fester Bestandteil des Witzes, so würde man über ihn nicht über ihn lachen können, denn inhaltlich wäre er dann oft lediglich schockierend oder makaber. Doch in dieser Gattung von Witzen ist der Reim das Ausschlag gebende Element und stellt eine Analogie zu einer Pointe dar, beziehungsweise wird zum Teil derselben. Beim Publikum wird ein Zusammenhang zwischen der Situation der Separierung und dem Reim auf dessen Vornamen suggeriert. Dies wird als absurd und pointiert empfunden und lässt dadurch selbst geschilderte schockierende Momentaufnahmen witzig erscheinen. Ein klassischer „Alle Kinder Witz“ ist also auch ein typischer Vertreter des schwarzen Humors.

Humor im Allgemeinen und Varianten des sogenannten schwarzen Humors im Besonderen dienen auch als Ventil für die Auseinandersetzung mit gesellschaftlichen Tabus. Diese bereits auf Siegmund Freud zurückgehende Theorie wird durch so manchen „Alle Kinder Witz“ anschaulich bestätigt. Denn auch im Leben von Kindern spielen Ausgrenzung, Isolation von der Gruppe, nachteilhafte Situationen, Verletzungen und Tod eine Rolle. Es gibt kaum einen erschreckenderen Gedanken als den an den Tod eines Kindes. Dennoch, täglich können auch Kinder Unfälle erleiden und sterben. „Alle Kinderwitze“ spiegeln unser aller Hilflosigkeit angesichts von tragischen Umständen, durch die Kinder zu Schaden kommen. Darüber zu lachen hilft dabei, sich damit zu arrangieren, dass in unserer Welt tagtäglich Trauriges geschieht und selbst Kinder davon betroffen sein können.

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